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Keira folgte der Erklärung des Bogenschützen mit großen Augen. Wie viel er wusste! Sie wäre wirklich nicht auf die Idee gekommen, die Äste genauer zu betrachten, um jemanden zu finden. Sie hatte einen Einfall. Eigentlich war sie ja auch eine angehende Bogenschützin und Waldläuferin, zumindest wollte sie es werden -Hobbymäßig, fügte sie in Gedanken hinzu - und da war er doch der ideale Lehrer. Sie nahm sich vor, ihn bei nächster Gelegenheit ein wenig auszufragen und ihn darum zu bitten, sie zu trainieren. Bestimmt hatte Lala nichts dagegen, wenn sie ein wenig entlastet wurde und Keira nicht mehr unterrichten musste... Sie würde mit ihr darüber reden, sobald sich eine Möglichkeit bot.
Als Nachtschatten vor ihnen auf den Boden plumpste, zuckte die junge Elfe erschrocken zusammen und verkniff sich gerade noch einen kurzen Schrei. Sie atmete erleichtert auf, als sie den Drachen erkannte, und folgte aufmerksam seiner Kopfbewegung. Nordosten... Keira blickte in die Richtung. Ja, das kam ihr richtig vor. Sie sah Lalas ungewöhnlichem Haustier zu, wie es wieder davon flog und ging dann mit den Kriegern weiter.
Sie kamen relativ schnell voran, da kein langsamer Mensch unter ihnen war, auf den sie Rücksicht nehmen mussten. Als der Himmel sich langsam rot färbte, waren sie bereits eine beachtliche Anzahl an Meilen gelaufen, obschon sie erst einige Stunden unterwegs waren. Der Regen hatte nicht nachgelassen, aber die Baumkronen waren dichter geworden, so dass sie alle wenigstens nicht komplett durchnässt waren. Keira war erstaunt über sich selbst, wie lange sie ohne längere Pause laufen konnte, doch langsam wurden ihre Beine doch müde. Der Tatsache, dass es langsam dunkler wurde, entnahm sie, dass es bald Nacht werden würde. Ihr Zeitgefühl hatte sie leider nach den letzten anstrengenden Tagen im Stich gelassen.
"Wo wollen wir unser Lager aufschlagen?", fragte sie jetzt etwas erschöpft.
[ist das unlogisch? Der Tag kam mir schon so ewig lang vor...]

Es schien alles ruhig und unberührt zu sein, keine Situation, in der man von Gefahren ausgehen könnte.
Wie sie ihn finden sollten...
"Nunja, es gibt verschiedene Möglichkeiten um Spuren zu lesen. Für uns Elfen [ja, es sind alles Elfen ] wäre das einfachste, wenn wir einfach den Spuren, die er auf dem Boden hinterlässt, folgen würden. Soweit ich gesehen habe, ist er nicht gerade eine Primaballerina, also wird er vermutlich Fußspuren hinterlassen haben, aber diese werden unbrauchbar, da sie wahrscheinlich vom Regen weggespült werden. Vielleicht ist er auch auf die Bäume geklettert, das könnten wir feststellen, wenn ein paar der Zweige merkwürdig abgebrochen sind, hierbei muss man aber aufpassen, dass man nicht aus versehen den Spuren eines großen Eichhörnchens oder ähnlichem folgt. In solche Situationen ist es äußerst praktisch einen animalischen Gefährten zu haben, da diese ihre ausgeprägteren Sinne benutzen können, um die Fährte der gesuchten Person aufzunehmen. In unserem Fall haben wir noch einen doppelten Bonus, da Nachtschatten auch noch seine umwerfende Sicht aus der Luft einsetzen kann", erklärte der Bogenschütze. Er hatte von allen Kriegern mit dem Magier am meisten mit der Natur und dem Fährtenlesen zu tun. Abgesehen davon verfügte er auch ein unglaublich großes Wissen über Botanik, zusammen mit dem Magier hatte mein fast ein ganzes Spital bei sich.
Sie sahen sich noch ein bisschen um und setzten sich langsam wieder in Bewegung.
Plötzlich rauschte und knackte es vor ihnen. Etwas großes war durch die Baumkronen vor ihre Füße gefallen und versteckte sich hinter dem Gebüsch. Alle machten sich für einen Kampf bereit und zückten schon ihre Waffen, bis dann zwei große grüne Augen zwischen den Blättern hervorfunkelten und sie wussten, dass keinerlei Gefahr bestand.
Nachtschatten war vor ihnen gelandet und versuchten ihnen die Richtung zu deuten. Er roch noch ein bisschen am feuchten Boden, wie ein kleiner Hund, und sah dann zu den Elfen auf. Das riesige Reptil sah in den Nordosten, dann wieder zu den Kriegern.
"In diese Richtung?", fragte Lala und sah ihn an.
Der Drache nickte und erhob sich wieder in die Lüfte.

Fasziniert betrachtete Keira das Zeichen, das der Bogenschütze hinterlassen hatte. Sie hätte es wohl nicht als solches verstanden, es sah irgendwie natürlich und unauffällig aus. Als es donnerte, zuckte sie zusammen und sah in den Himmel. Dicke Regentropfen platschten ihr ins Gesicht und liefen an ihrem Hals hinunter in ihre Kleidung. Rasch senkte sie den Blick wieder und sorgte dafür, dass die Kapuze sie wenigstens ein wenig vor der Nässe schützte. "Jaa, das fürchte ich auch...", meinte sie zu Fais(?) Bemerkung und runzelte die Stirn. Wenn sie rasten mussten, würden sie Alex nie einholen... Und wenn er dann für immer verschwand? Was, wenn er jetzt... böse wurde, weil sie ihn nicht zurückholten? Sie hatte eine Spur von Wahnsinn in seinem Blick gesehen, die ihr nicht geheuer war. Besser, man passte auf ihn auf, vermutete sie.
Sie gingen weiter, jetzt langsamer und dichter beieinander. Jeder sah sich alle paar Meter nach den anderen um und checkte die Umgebung nach Gefahren ab. Keira bewunderte das professionelle Vorgehen der Truppe, sie fühlte sich irgendwie sicher bei ihnen. Ab und zu hinterließ der Bogenschütze oder jemand anderes Zeichen für Daisuke und den Magier. Keira erinnerte sich irgendwann daran, dass Lala Nachtschatten auf die Suche nach dem Vampir geschickt hatte, und sah nach oben (weswegen sie erneut einen Schwall Regenwasser in ihren Kragen bekam). Die Blick auf den bewölkten Himmel war stark begrenzt, nicht nur durch den Regen, sondern durch die Baumkronen. Wenn sie nur ein wenig dichter gewesen wären, dann würden sie auch vor dem Regen schützen... Aber gerade hatte sie genau die gegenteilige Wirkung. Die Blätter schienen das Regenwasser zu sammeln und dann in riesigen Tropfen oder in einer einzigen Flut auf die Elfen [sind alle Elfen?] fallen zu lassen.
Verärgert wischte sich Keira ein wenig Wasser von der Wange blickte wieder nach unten. Wo war Nachtschatten? Wie sollten sie Alex jetzt finden? Ihr innerer Kompass, dem sie vertrauenswürdig in den Wald gefolgt war, verließ sie langsam. Keira blieb etwas entmutigt stehen. Sie kam sich auf einmal wieder überfordert vor. Wahrscheinlich wussten die Krieger genau, was sie taten, doch Keira hatte von alledem nicht die geringste Ahnung. "Wie sollen wir ihn finden?", rief sie den anderen zu.

Sie liefen immer weiter aus der Stadt hinaus. Raus aus der Zivilisation, so konnten die Menschen hoffentlich wieder friedlicher in ihren Alltag hineinleben, so ganz ohne Vampir und Krieger.
Sie hielten in der Nähe des Waldrandes auf einem offenen Feld. Lala blickte zurück und sah auch schon die beiden anderen am Horizont auf und ab springen...vermutlich sollte das Laufen darstellen.
"Gut, dann ab in den Wald", rief Lala Keira als Antwort zu. Bis jetzt waren sie den Fluss entlang gelaufen.
Sie rannten weiter in Richtung des dunklen Waldes und erreichten auch baldig die ersten Bäume.
"Gut, ab hier sollten wir nicht mehr so frei umherlaufen, wir sollten in einem dichteren Bündel bleiben, um einige Gefahrensituationen vorbeugen zu können. Wir haben nicht so viel Zeit, um noch auf die anderen beiden zu warten, deshalb schlage ich vor, ihnen Zeichen zu hinterlassen", erklärte der Bogenschütze und nahm langsam einen seiner Pfeile aus dem Köcher auf seinem Rücken. Gezielt stieß er ihn in einen der Baumstämme und zog ihn langsam die Rinde des Baumes runter. So entstand eine für das ungeübte Auge fast unsichtbare 'Narbe'.
Die Krieger nickten sich zu und es donnerte. Sie sahen besorgt in den Himmel hinauf.
- "Wenn das Wetter noch schlechter wird, müssen wir schon bald ein Lager aufschlagen und können die verbleibende Tageszeit nicht mehr nutzen, um nach ihm zu suchen."

Keira zog sich ihre Kapuze über und nickte Lala zu, als Zeichen dafür, dass sie bereit war und mit den Kriegern mithalten können würde. Im Rennen war sie gar nicht so ungeübt, immerhin trainierte sie heimlich im Wald so oft es ging... Sie freute sich schon darauf, wieder zwischen den Bäumen dahinflitzen zu können. Ja, Alex war sicher im Wald...
Sie rannte los und versuchte, den Regen, der ihr inzwischen ziemlich ins Gesicht peitschte, so gut es ging zu ignorieren. Scheußliches Wetter. Wenigstens war es nicht allzu windig, aber bestimmt legte dieses Unwetter gerade erst los und sammelte noch Kraft für richtig miese Verhältnisse. Das Gute war, dass nun alle Leute zuhause saßen und die Straßen für Keira und die Krieger frei waren.
Bald erreichten sie die Stadttore und die Wachen ließen sie ohne ein Widerwort passieren. Sie nickten ihnen nur ernst zu, anscheinend hatten sie gehört, was los war. Und solange sie sie nicht aufhielten, war es egal, ob sie dachten, die Kriegertruppe wollte den Vampir töten oder zurückholen. Später könnte man es allen erklären... oder so, dachte Keira.
Die Elfe rannte weiter vorn mit und verfolgte so bestimmt den Flusslauf Richtung Wald, dass niemand stehen blieb, um über die einzuschlagende Richtung nachzudenken. Nach einer Weile war die erste Baumreihe auch schon in Sichtweite, und Keira hielt kurz an, um zu verschnaufen und den anderen die Möglichkeit zu geben, Widerspruch zu äußern. "Ich glaube, er ist im Wald!" Schrie sie den anderen gegen das Prasseln des Regens zu. "Dort war er das erste Mal auch!"

Die Kriegergruppe konnte Lala nur mental zustimmen: Keira wirkte wie eine professionelle Kriegerin.
"Ja, lasst uns losgehen", rief man hoch motiviert, doch im nächsten Moment verzogen sich die Münder wieder zu unzufriedenen Strichen, denn das Wetter wurde immer...unangenehmer. Dem Wetter wie ein trotziges Kind entgegenstehend setzte Lala genervt ihre Kapuze und lief in den Regen hinaus.
"Moment... in welche Richtung überhaupt?", fragte sie sich nachdem sie sich einige Male desorientiert im Kreis gedreht hat.
- "Er müsste aus der Stadt raus gelaufen sein, also in Richtung Wald."
Lala sah in Richtung der Stadtmauern und stieß dann einen lauten Pfiff von sich. Schon Sekunden danach schlich Nachtschatten um sie her und wartete auf eine Anweisung.
"Mein kleiner, erinnerst du dich noch an Alex? Wir müssen ihn schnell finden, meinst du, du kannst seine Fährte aufnehmen?"
Er sah sie mit einem Alles-klar-Blick an und schnüffelte konzentriert in der Luft. Er flog davon und bewegte sich tatsächlich in Richtung Wald.
Die Krieger wollten gerade davon sprinten, bemerkten dann jedoch, dass erstens Keira nicht so trainiert im schnellen Laufen war und dass zweitens Daisuke verletzt war.
"Wir müssen uns trennen...", schlug der Bogenschütze vor.
"Was? Damit wir ein noch leichteres Ziel werden?"
- "Doch, wir sollten uns trennen. Ansonsten wären wir nicht schnell genug um ihn einzuholen."
"Keira kann schnell genug laufen. Eines Nachts war er schon in der Stadt und sie hat ihm bis zu den Mauern folgen können. Keira kann das", sagte Lala.
- "Nun gut, Keira, Lala und der Bogenschütze kommen mit mir, der Magier läuft mit Daisuke etwas langsamer. Los!"
Die schnellere Gruppe stürmte in die Richtung in die der Drache geflogen war und nur der verbittert zu Boden schauende Daisuke blieb mit dem Bogenschützen zurück.

Jetzt musste Keira doch breit grinsen. Das Gefühl, dass Lala stolz auf ihr war, gab ihr Selbstbewusstsein. Strahlend nahm sie den Bogen entgegen und hielt ihn zuerst ganz ehrfürchtig und sanft fest, als würde er zerbrechen, wenn sie die Hand fester um den Griff schloss. In der anderen hielt sie den Köcher mit den besonderen Pfeilen. Es kam ihr wie eine sehr große Verantwortung vor, diese Waffen zu übernehmen, aber sie fühlte sich dafür gewachsen. Sie hängte sich den Köcher um und befestigte den Bogen auf ihrem Rücken, um dann den Dolch zu nehmen. Sie zog ihn kurz aus der Scheide und musterte ihn interessiert. Auch er sah erstaunlich edel für eine Mordwaffe aus. Sie band sich den Gürtel um und steckte den Dolch wieder ein. Jetzt fühlte sie sich für praktisch alles gewappnet. Selbst wenn es ihr an der fortgeschrittenen Fähigkeit des Kämpfens fehlte... Mit solch einer Ausrüstung konnte bestimmt nichts schief gehen. Sie lächelte Lala dankbar für alles an und stimmte ihr dann zu, zu den anderen zu gehen. Die beiden Elfen gingen die Treppe hinab und wurden von der Kriegertruppe empfangen. Keira genoss einen kurzen Moment lang die heimlich bewundernden Blicke - sie versuchten es zu verbergen, aber sie konnte in ihren Augen sehen, dass sie wenigstens ein bisschen beeindruckt waren. Sie kam sich in diesem Augenblick arrogant vor, aber sie hatte sich ja selbst im Spiegel gesehen... Am bemerkenswertesten war wohl die Verwandlung, die sie durchgemacht hatte: Vom einfachen Stadtmädchen, das an Wochentagen Obst verkaufte, zu einer eleganten Kriegerin. Zumindest sah sie so aus.
Sie versuchte, nicht zu sehr zu lächeln (denn immerhin war die Situation ernst) und fragte, als sie in der Mitte der Krieger stand, "Können wir los?"

Die junge Kriegerin bewunderte ihre Freundin.
"Ja, das ist die perfekte Rüstung für solche Bedingungen! Damit kannst du dich super verstecken und auf einen Überraschungsmoment warten. Richtig gut!"
Sie sah ihre 'Schülerin' stolz an und klopfte ihr mental auf die Schulter.
"Hier, der ist für dich, könnte ganz nützlich sein...außerdem kann der Bogenschütze dir ja noch ein paar Tipps geben, ich bezweifle, dass wir... Alex so bald finden werden...", erklärte sie und hielt ihr einen dunkelrotbraunen langen Bogen hin, in dessen Korpus florale Verzierungen und elfische Wörter eingebrannt waren. Dazu gab sie ihr einen ebenfalls dunkelbraunen Köcher mit passenden Pfeilen dazu.
"Das sind spezielle Pfeile aus extra robustem Holz und mit einer Silberspitze, sie sind am Anfang vielleicht etwas schwerer zu handhaben als andere Pfeile, aber ich bin überzeugt davon, dass du schnell lernst mit ihnen umzugehen. Ach, und bevor ich es vergesse, den hier kannst du auch haben", fiel ihr noch ein und sie überreicht Keira einen etwas längeren Dolch mit einem goldenen Griff und der Lederscheide, welche mit einem Gürtel um die Hüfte befestigt werden konnte.
"Nun denn, wir sollten wieder runtergehen, die anderen warten vermutlich schon."

Keira folgte Lala in ihr Zimmer und musste lächeln, als sie die Auswahl an Rüstungen sah. So viele... In ihr erwachte wieder das kleine Mädchen, das sich gerne verkleidete. Staunend ging sie die Kleidungssets durch. Obwohl sie wenig davon verstand, was man am besten für welche Kampfumgebung oder zu welchen Waffen oder zu welchem Wetter anzog, betrachtete sie die Klamotten mit wachsender Begeisterung. Bald zügelte sie sich ejdoch, sie durften ja keine Zeit verlieren. Sie überlegte ein wenig herum. Jedes einzelne der Sets sah einfach umwerfend aus, doch sie musste sich entscheiden. Letztendlich ging sie praktisch vor: Sie suchte sich eines aus, das in grünlichen Farben gehalten war, so würde sie im Wald besser getarnt sein als beispielsweise in Blau, und das von ihr auserkorene bestand aus mehreren Schichten: Ein schlichtes Lederoutfit, darüber ein Kleid mit geschlitztem Rock, so dass man viel Bewegungsfreiheit hatte, und dann ein Umhang mit einer großen Kapuze.
Sie sah sich kurz um, ob sie auch alleine war, und legte dann ihr zerrissenes Kleid ab. Sie hatte zwar leichte Schwierigkeiten dabei, das neue Outfit anzuziehen, aber das lag am Schwierigkeitsgrad der Verschlüsse und eher weniger an der Größe. Als sie fertig war, betrachtete sie sich in einem Spiegel und grinste. Sie sah einfach toll aus. Und sie wirkte irgendwie... Überlegen... Als könnte sie tatsächlich gut kämpfen, was kaum der Fall war. Aber dieses Kleid war perfekt. Es sah einerseits nicht nach einem aggressiven, bewaffneten Krieger aus, andererseits so, als ob sie sich gegen alles verteidigen konnte. Das war das richtige. Es würde keinen Angreifer provozieren. Falls es welche im Wald gab... Aber wie kam sie auf den Gedanken? Dort war doch nur Alex...

Als sie fertig damit war, ihr Spiegelbild zu bewundern, packte sie aus ihrem alten Kleid das kleine Messer aus und brachte es an ihrem Gürtel an. Außerdem steckte sie noch den kleinen Lederbeutel mit einigen Münzen darin ein und den größeren, leeren Beutel, der für Kräuter oder ähnliches gedacht war. Sie zog sich den Umhang über die Schultern und drehte sich um, da stand auch schon Lala in der Tür. Keira setzte ein ernsteres Gesicht auf, dass sie erwachsen wirken lassen sollte und nicht so wie ein Mädchen, das sich über seine neue Klamotten freut.
"Und? Hab ich mir was Gutes ausgesucht? Oder ist das völlig ungeeignet?", fragte sie etwas unsicher und spähte nebenbei auf die Waffen, die Lala mitgebracht hatte. Sie hoffte, der Bogen wäre für sie... Eigentlich war sie keine kämpferische Natur, aber von Bögen wirkte auf sie so eine gewisse Anziehungskraft... Vor allem wenn es so beeindruckende Modelle waren wie aus Lalas Waffenkammer. Hinzu kam, dass sich in Keiras Körper langsam etwas zusammenbraute. Ihre Muskeln waren angespannt und einsatzbereit und sie fühlte sich immer energieerfüllter, obwohl das kaum möglich sein konnte, nach den letzten Tagen... Aber da passierte etwas. Sie fühlte es die ganze Zeit über, und sie war sich sicher, dass die anderen es auch spüren mussten. Sie glaubte Daisuke. Er sollte von etwas besessen gewesen sein? Im Moment hielt Keira alles für möglich. In der Luft lag ein Potenzial... Als könnte alles geschehen. Und das musste nicht unbedingt etwas Gutes sein.

- "Gut, dann ist das schon mal beschlossen."
Die Krieger stürmten in ihre Zimmer aus und suchten sich ihre Sachen für eine Expedition zusammen. Die jungen Elfen kamen in großen, dicken, wasserabweisenden Umhängen zurück, unter denen sich ihre Waffen befanden. Jeder ein Dolch, die Nahkämpfer mindestens neun Wurfdolche, dann noch ihre spezifischen Waffen, ein paar Nebenbomben... und natürlich noch ein kleiner Verbandskasten für die Gruppe. In ein paar kleineren Taschen verstauten sie ein bisschen Essen und Trinken, der Magier nahm ein paar Tränke mit.

Lala war überrascht von Keiras plötzlichem Tatendrang.
Etwas müde und lustlos setzte sie sich in Bewegung und steuerte auf die Türe zu, während Fai Keiras Rat folgte und dem Scharfschützen anwies, in der Stadt zu bleiben und die Augen auf der Bevölkerung zu halten.
Sie öffnete knarzend die Türe. Es regnete noch immer. Die müde Elfe setzte schweren Schrittes einen Fuß vor den anderen und machte sich so auf den Weg zu ihren Heim. Die Krieger folgten ihr im Plätscheln der Regentropfen.

Nach einem kleinen Fußmarsch konnte man schon ihr Haus sehen und auch Nachtschatten, welcher unter dem Kirschbaum Zuflucht vor dem Regen suchte. Bei dem Geräusch sich nähernder Schritte blickte er auf und sprang den Kriegern voller Vorfreude entgegen. Er hatte vermutlich nicht mitbekommen, was passiert war, bis der sah, dass Daisuke verletzt hinter dem Trupp humpelte und sein Blut roch. Als Stütze kam er ihm entgegengelaufen und half ihm bis zum Haus.
Sie traten ein und auch der Drache quetschte sich mehr oder minder ins Wohnzimmer.
"Keira, komm mit nach oben, dann kannst du dir die passende Ausrüstung aussuchen."
Lala lief die Treppe hoch und stieß die Türen ihres Ausrüstungsschrankes auf, in dem etliche Rüstungen für alle Witterungsverhältnisse drin hingen, Sonne, Regen, Kälte, Hitze,... Sie kramte aus einer Kiste ein paar Regenumhänge und -mäntel heraus und breitete sie auf ihrem Bett aus.
Sie zog sich eine schwarze Rüstung mit roten Verzierungen an und streifte einen pechschwarzen Umhang mit einer großen Kapuze über.
"Bedien dich ruhig", sagte sie ruhig und lächelte ihre Freundin schwach an.
"Ich geh schon mal runter und durchstöber die Waffenkammer", murmelte sie, als sie sich schon fast zur Türe hinaus begeben hatte.
Im schwachen Kerzenschein suchte sie sich, abgesehen von ihrer Grundausrüstung, dem Katana, dem Dolch und ein paar Wurfdolchen, eine Art Pfeilschussgerät für den Unterarm und natürlich die Clockwork Peregrine mit Nachlademunition.
Für Keira suchte sie auch einen Dolch mit der passenden Halterung aus und schnappte sich einen Bogen und einen Köcher voller Pfeile.
Erst befestigte die junge Elfe ihre eigenen Waffen bevor sie sich wieder zu ihrer Freundin hochbegab.

Keira holte tief Luft und stand auf. "Ich glaube, er sollte mitkommen. Vielleicht brauchen wir ja doch mehr Leute, als ich mir vorstellen kann. Aber dafür sollte zumindest der Scharfschütze in der Stadt bleiben. Wir können nicht einfach alle für eine eventuelle Verteidigung wichtige Krieger mitnehmen und Gennéas Bürger ohne Schutz zurücklassen. Denn wenn ein Vampir es schafft, sich durch die Stadttore zu schleichen... Ich habe von schlimmeren Kreaturen gehört.", sagte sie mit fester Stimme und blickte alle in der Runde an. Nachdem sie fertig war, wandte sie sich an Fai. "Und jetzt finde ich, dass wir nicht länger trödeln sollten... Er hat schon einen so großen Vorsprung, wir können kaum mehr warten. Er ist wichtig."
*Und ich halte es nicht mehr aus, tatenlos herumzusitzen.*, fügte sie in Gedanken hinzu. Obwohl sie sich eigentlich nach Ruhe sehnte, kribbelte es ihr in den Beinen. Sie spürte da etwas ganz Unterschwelliges, Unkonkretes, das in der Luft lag...

Daisuke seufzte.
Nicht so gefährlich? Natüüüüürlich. Die liebe Keira glaubt immer an das Gute im Menschen... ääh.. in der Kreatur.
Alles Krieger sahen sie etwas verunsichert an.
"Ich vermute, ich habe deinen Kopf nicht so gut verarztet..", murmelte der Magier mit einem besorgten Blick und sah ihn sich noch einmal kurz an, um dennoch festzustellen, dass die Wunde schon so gut wie möglich behandelt wurde.
"Nunja, ich fand, dass du diese Entscheidung treffen solltest, da es sich bei dem Vampir um jemanden handelt, der sich um dich sorgt. Und ich habe den Verdacht, dass du dich auch mehr um ihn sorgst, als ein normales Opfer das eigentlich täte", erklärte der Bogenschütze.
Das verwunderte Lala ein bisschen, ihr war das bis jetzt noch gar nicht so ganz aufgefallen.
Sie schloss die Augen und blendete alles um sich herum aus. Es war alles so kompliziert geworden, dabei hatte es doch nur damit angefangen, dass sie Keira dieses blöde Päckchen überbringen sollte. Und dann? Es ging so schnell... Das Päckchen, die Recherchen, die nächtliche Verfolgung auf den Dächern, das Training, der Ball, der 'Vertrag', der Kampf... Ihr Kopf schmerzte so sehr, es pochte und pochte und pochte immer wieder, wie als ob ihr Schädel gleich zerspringen würde. Warum können Vampire nicht einfach mal Sinn machen?! Warum hat er Keira nicht gleich getötet? Warum hat er sich den ganzen Abend wie ein Gentleman verhalten? Warum hat er abgewartet? Warum hat er Daisuke nicht getötet? Warum hat er nicht auch die anderen Krieger angegriffen? Warum war Alex so plötzlich verschwunden? Warum warum warum warum warum warum warum warum warum?!
Plötzlich wurde sie geschüttelt.
- "Lala? Laaaalaaaa?", rief Fai.
Sie öffnete die Augen wieder und sah in zwei große schwarze Kugeln, die sie besorgt ansahen.
- "Ist irgendwas los? Geht es dir nicht gut?"
"Aah, nein, es ist schon okay..."
Sie versuchte ihre Gedanken abzuschütteln und sich wieder auf das hier und jetzt zu konzentrieren.
"So, Männer, sind wir denn schon zu einem Entschluss gekommen?"

Keira schüttelte den Kopf auf Fais Frage. "Äh... nein.", gestand sie. "Bis jetzt hab ich sowas noch nie gebraucht..."
Dann stimmte sie etwas zögernd zu, Lalas Sachen zu nehmen und selbst nichts dabeizuhaben. Sie fühlte sich zwar unwohl dabei, nichts von ihren eigenen Dingen mitzunehmen, aber sie wusste, dass die Krieger besser einschätzen konnten, was sie brauchen würden und was nicht. Sie atmete tief durch. Es war notwendig, dass sie Alex verfolgten, doch natürlich machte sie sich auch ein wenig Sorgen, nicht nur um die Krieger, sondern um die Normalität in ihrem Leben.
Sie gingen los und waren auch bald im Haus der Krieger angekommen. Keira setzte sich auf einen herumstehenden Stuhl und legte ihren Kopf etwas müde auf die Lehne. Sie gab sich trotz ihrer Erschöpftheit Mühe, dem Gespräch der anderen zu folgen, erschrak aber trotzdem, als sie selbst angesprochen wurde. "Hmwas?", fragte sie erst verdattert und überprüfte noch einmal in ihrem Kopf die letzten Sätze der Diskussion.
"Achso...", murmelte sie dann und holte tief Luft. Warum genau sollte sie das jetzt entscheiden? Was hatte sie damit zu tun?
"Ich verstehe nicht, warum ihr MICH das fragt...", sagte sie, hob ihren Kopf und blickte in die Runde. "Ich kann das nicht einschätzen. Es... wäre ein gewisses Risiko, ihn mitzunehmen." Sie verkniff sich einen bösen Blick in Daisukes Richtung. Es nervte sie immernoch, dass er so ausgerastet war... Aber er hatte ja gemeint, er war sowas wie besessen gewesen... Allerdings minderte das nicht das Risiko.
"Und... ich glaube, dass wir nicht so viele Männer brauchen. Alex ist nicht so gefährlich...", sagte sie leise und senkte den Blick. Sie wusste genau, dass sie ihr nicht im Geringsten glauben würden, aber sie musste es wenigsten versuchen.
"Aber letzten Endes bin ich keine Kriegerin und habe wenig Ahnung von der Welt... Ich weiß nur, dass hier etwas seltsam ist."
So schloss sie ihre Überlegungen ab und blickte die anderen fragend an.

Fai verstand.
- "Natürlich. Hast du denn passende Kleidung für so eine 'Verfolgungsjagd'? Ich bin mir sicher, dass Lala dir etwas von ihrer Ausrüstung geben kann. Mach dir keine Sorgen, wir kümmern uns schon darum, du müsstest eigentlich gar nichts mehr mitnehmen, wir sind alle bestens ausgerüstet."

Lala hatte die ganze Zeit nicht mehr sehr viel gesprochen, was hoffentlich verständlich war. Der Regen war ihr mittlerweile auch schon egal geworden, sie war eh schon patschnass. Sie näherten sich dem Haus der Krieger. Als sie eintraten, kam ihnen schon das warme Willkommen eines so liebevoll wie möglich eingerichteten Übergangsheims entgegen, was die junge Kriegerin und vermutlich auch ihre Kameraden etwas beruhigte. Daisuke hatte aufgehört vor Schmerz zu ächzten und fiel sofort ausgelaugt in sein Bett, wo er sich noch mit dem Bauch nach oben wälzte und schließlich sehr schnell einschlief. Oder zumindest nur noch halbwach war.
Lala holte ein Schälchen mit heißem Wasser und ein weißes Tuch, während der Magier seine Erste Hilfe Kenntnisse nutzte und seine Wunden mit diesen Materialien verarztete. Die junge Elfe strich ihrem Bruder noch die nassen Haare aus dem Gesicht und verließ dann das Zimmer, um der Versammlung der restlichen Krieger beizuwohnen. Gerade wurde diskutierte, wer hier bleiben und die Verantwortung über die Stadt übernehmen sollte.
- "Der Magier muss mit uns mitkommen, den Bogenschützen sollten wir aufgrund seiner Naturkenntnisse auch mitnehmen. Also müsste der Scharfschütze bei Daisuke hier bleiben."
"Aber er könnte trotzdem von unschätzbarem Wert für uns sein, sollte es wieder zu einer Kampfsituation kommen. Er mit seinen Silberkugeln könnte ganz hilfreich sein...", wand der Bogenschütze ein.
Sie berieten sich weiterhin, während sie sich bei einer schnellen Tasse Früchtetee aufwärmten.
Lala brachte Keira ebenfalls eine Tasse davon. "Hier, das sollte ein bisschen wärmen."
Daisuke kam fertig verbunden mit dem Magier in das Zimmer zurück, anscheinend hatte er sich wieder auf seinen Menschenverstand besonnen.
"Ich komme mit", sagte er fest überzeugt.
- "Nein, Daisuke, das geht wirklich nicht, du bist gerade eben schwer verletzt worden...du solltest wirklich -"
"Nein, nein, nein, ich muss bei dem Magier sein, da er mich noch mit einigen Magietherapien behandeln muss, und da er für eure Exkursion unabdingbar ist, muss ich wohl oder übel auch mitkommen."
Er grinste schwach, aber trotzdem noch überlegen in die Menge.
- "Daisuke, wir können wirklich nicht riskieren, dass du noch einmal die Kontrolle verlierst und so etwas passiert", sagte Fai und deutete auf der Verletzten Wunden.
"Hört mal zu... ich weiß, dass das jetzt komisch klingt, und es ist auch keine Entschuldigung dafür, was geschehen ist, aber irgendwie... war es als ob etwas mich kontrollieren würde...nein, als würde jemand mich kontrollieren... Es tut mir wirklich Leid. Ich war zwar schon von Anfang an dagegen, dass der Vampir hier bleibt, aber so etwas... das ist eines Kriegers nicht würdig. Ich entschuldige mich aufrichtig", sprach er und sah erst alle anderen Krieger nach Verzeihung bittend an und fixierte dann seinen Blick auf Keira.
"Nun, unter diesen Umständen finde ich, dass die junge Dame entscheiden sollte, ob du mitkommen darfst, oder nicht", schlug der Scharfschütze vor und deutete mit dem Kopf auf Keira.

Keira nickte und der Trupp setzte sich in Bewegung. Beim Gehen sagte sie dann zu Fai: "Ähm... ich glaube ich brauche andere Klamotten." Sie sah an sich herunter und hob ein Stück ihres zerfetzten Kleides etwas hoch, damit Fai verstand, was sie meinte. Erstens war es ja ganz kaputt, und zweitens war ein Alltagskleidchen vielleicht nicht die angemessene Bekleidung für eine Verfolgung eines Vampirs im Wald bei Regen.Sie überlegte außerdem, ob sie noch etwas von ihren Habseligkeiten einpacken sollte. Ein paar Münzen und kleine Werkzeuge vielleicht, Ersatzklamotten...? Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie jetzt unterwegs sein würden und hoffte, dass der erfahrene Krieger die Situation besser einschätzen konnte. Allerdings hatte sie so ein Gefühl, dass dieser Trip möglicherweise länger dauern konnte und Komplikationen auftauchen würden... Sie wartete auf Fais Antwort, bevor sie eventuell fragen würde, ob sie zu ihrem Haus gehen dürfe.

Platsch. Platsch. Platsch.
Ein immer stärker werdender Regenschauer prasselte auf die Truppe und umstehende herunter. Daisuke lag noch eine Zeit lang mit geschlossenen Augen da und genoss die Kühle, die das Wetter plötzlich mit sich brachte. Dann erhob er sich und versuchte aufzustehen. Trotz seiner schwachen Verfassung schaffte er es einigermaßen sich mit wackeligen Beinen zu halten. Seine Kameraden stützen ihn von beiden Seiten, als Keira auf Fai zukam.
- "Verfolgen müssten wir ihn glaube ich sowieso, da er noch deinen Stein hat... der Stein hat auch große Bedeutung. Wir sollten aber erstmal Daisuke hier weg bringen und uns wetterfestere Kleidung besorgen. Männer", wandte er sich zu seinem Trupp, "wir müssen uns beeilen, bringt Daisuke wieder zu seinem Haus, danach müssen wir wieder los!"
Er tätschelte Lalas Kopf und half ihr dann auch auf.
- "Lala, Keira, wir bringen erst Daisuke wieder zu unserem Haus und legen uns bessere Kleidung zu, mir wäre es ganz recht, wenn ihr erst noch zu uns mitkommt, falls Alex sich doch noch einmal bei Keira zeigt, würde ich gerne dabei sein. Wir müssen sowieso an Lalas Haus vorbei um aus der Stadt rauszukommen."
"Wie kommst du darauf, dass Alex aus der Stadt geflüchtet ist?", fragte der Magier.
- "Ich bezweifle eher, dass er hier geblieben ist, da die Bürger jetzt wissen, dass er ein Vampir ist und in der Stadt war. Also ist er wahrscheinlich in den Wald geflohen. Also dann, machen wir uns auf den Weg."

Keira machte dem Magier Platz und stand auf, um ein paar Schritte zurück zu gehen. Erleichtert atmete sie auf, als er sagte, Daisuke würde schon wieder werden. Sie betrachtete ihre blutigen Hände und überlegte, was sie nun tun sollte. Daisuke war gerettet... Und was war mit Alex? War er nicht auch verletzt gewesen? Sie lief, den Blick immernoch auf ihre Hände gerichtet und überlegend, ob Alex den Blutgeruch ertragen würde können, ohne ihr etwas zu tun, in die Richtung, in der sie ihn als letztes gesehen hatte. Als sie jedoch aufsah, blieb sie verdutzt stehen. War er doch woanders gestanden? Sie war sich sicher gewesen, dass er an dieser Stelle gewesen war... Sie hatte gedacht, er sei dort verharrt, während sich alle um Daisuke kümmerten. Sie drehte sich um und suchte auf dem Platz nach ihm. Das war schwierig, denn überall um sie herum standen Männer und Frauen, die schrien und schluchzten. Als ob jemand gestorben war... Keira verstand nicht, dass es ein Zeichen für den sicheren Untergang einer Stadt war, wenn ein Vampir in sie eindrang.
Sie drehte sich im Kreis, die Hände immer noch ratlos, was sie mit ihnen anfangen sollte, gehoben. "Alex?", fragte sie mit zittriger Stimme. Oh je, ihr Gehirn fing an, sich mit den Erlebnissen erneut auseinanderzusetzen. Bis eben hatte sie aus Trotz gegen ihren inneren Schrei nach Hilfe und ihr Gefühl von Schwäche gehandelt und alles andere ignoriert oder verdrängt. Jetzt rann ihr eine Träne über die Wange. Oh Gott, oh Gott, oh Gott, es war einfach viel zu viel! Sie würde noch den Verstand verlieren. Sie schluckte. *Reiß dich zusammen, Keira! Einmal stark sein, nur noch kurz, bald ist alles vorbei und du kannst schlafen und dich von allem erholen... Aber jetzt heul hier nicht rum!*, ermahnte sie sich.
Sie biss die Zähne aufeinander und blickte auf den Boden. Dicke, vereinzelte Regentropfen platschten auf den Boden. Sie betrachtete wieder ihre Hände. Einige Tropfen fielen darauf und wuschen das Blut ab. Der Regen wurde stärker. Er vermischte sich mit der roten Flüssigkeit auf der Straße und alles wurde weggespült, die Straße hinunter in die Abflüsse. Nach einem weiteren Moment prasselte es richtig herunter, Keiras Klamotten sogen sich mit Wasser voll. Die zerrissenen Fetzen ihres Kleids wurden schwer und klebten sich an ihre Beine. Sie ließ die nun fast sauberen Hände sinken und ging mit entschlossenen Schritten zu Fai. Sie wusste jetzt genau, was sie tun musste. Etwas sagte ihr, was das einzig Richtige war, auch wenn sie nicht wusste, warum. Aber es war ein starkes Gefühl der Sicherheit, das Keira richtig erleichterte. Sie wusste den nächsten Schritt, und damit wurde alles einfacher. "Fai?", fragte sie mit fester Stimme.
"Alex ist weg. Wir müssen ihn suchen. Ich weiß, das klingt verrückt, aber er ist wichtig."
Sie sah zu ihm auf und hoffte inständigst, er würde ihr glauben. In ihrem Kopf überschlugen sich derweil ihre Gedanken. Sie wurde fast schon euphorisch, weil sich nun alles von selbst auflöste und logisch wurde. Alex war ein Vampir. Er war böse, aber er war auch gut. Wieso war er hierher gekommen? Wieso hatte er ihr den Stein geklaut? Sie wusste, dass irgendetwas dahintersteckte, dann von größerer Wichtigkeit sein musste. Und die Königin. Sie wusste etwas. Der Ball, die ganzen Wachen. Sie hatte geahnt, dass etwas geschehen würde. Aber Keira war sich absolut sicher, dass Alex nicht der Angreifer war, vor dem die Königin Angst gehabt hatte. Sonst hätte er es nicht geschafft, ins Schloss einzudringen. Sonst wären hier schon längst die Elite der königlichen Garde aufgetaucht, und sie wusste, dass Fai und sein Team von außerhalb kamen. Also war Alex nicht der Feind gewesen. Alex hatte eine größere Bedeutung gehabt, sonst hätte er nicht einfach so in der Stadt herumschlendern können. Keira hatte der Königin persönlich einen Brief geschrieben und ihr von dem Erlebnis im Wald berichtet, und sie hatte nicht geantwortet.
Alles ergab einen Sinn, und Keira fühlte, dass sie etwas Großem auf die Spur kam. Sie war dicht dran. Etwas geschah, und er war wichtig. Viele Talente hatte Keira ja nicht, aber auf ihr Gefühl war eigentlich immer Verlass.
Sie atmete tief durch und sah Fai fragend an.

"Daisuke...Daisuke?", flüsterte sie, während sie ihm sanft das Haar aus dem Gesicht strich.
Keira kam hinzu und tat ihr bestes, um ihn zu verarzten. Sie zerriss sogar ihr schönes Kleid. Bald darauf traf der Magier ein, er könnte Daisuke mit seiner Kraft heilen.
"Ohh... das sieht schlecht aus...", murmelte er, als der den Verwundeten sah.
"Wie schlecht? Schlecht schlecht oder schlecht und trotzdem heilbar?", fragte Lala besorgt.
"Nunja... ein Mix aus beidem, ich seh mal, was ich tun kann, aber ich kann nichts versprechen."
Ouch. Der letzte Teil des Satzes verunsicherte Lala sehr und sie wusste jetzt nicht, ob sie weiterhin um das Leben ihres Bruders bangen sollte. Sie kroch einen halben Schritt zurück und sah dem Magier beim Heilprozess zu. Es erschien wie immer ein Licht, aber der sonst so reine Schein färbte sich immer dunkler und wurde schließlich so rot wie das Blut, welches auf dem Boden war.
Entkräftet plumpste der Magier auf seinen Hintern und saß neben Daisuke. Die Wunden waren wenigstens entwas geheilt und der Krieger war außer Lebensgefahr. Wenigstens eine gute Nachricht. Die Bissstellen waren nur teilweise geheilt und er blutete immernoch ein bisschen.
Außer Atem brach der Magier das Schweigen: "Ich hab mein bestes getan, es dauert noch eine Weile, bis er wieder ganz fit ist und ich werde noch mehrere Behandlungen vollziehen müssen. Im Moment braucht er einfach nur Ruhe."
- "Ich glaube das brauchen wir alle...", sagte Fai sanft und sah in die Gesichter seiner Kameraden und Freunde.



[Nein nein, ich finds grad ganz gut so wie machen wir weiter? ich brauche irgendeinen vorwand für sie, dass sie alex folgen oder so...]

Alex starrte Daisuke an. Erst verbissen kämpferisch, dann misstrauisch. Hatte er ihn besiegt? Er regte sich kaum. Lala und die Krieger eilten zu ihm. Das alles gefiel Alex irgendwie nicht... Die Zeit wurde langsam, und es kam ihm fast so vor, als würde sich der Himmel verdunkeln. Regnete es heute wohl noch? Keira stand an der Stelle, an der Lala sie zurückgelassen hatte, mit entgeistertem und starrem Blick. Sie konnte sich nicht wegdrehen, die Augen schließen oder einfach wegrennen. Ihr Gesicht drückte pure Verzweiflung aus. Das war zu viel für sie, er konnte es sehen. Er konnte sehen, wie ihr Verstand daran scheiterte, die Situation zu begreifen. Wie auf einmal ihre Welt auf den Kopf gestellt wurde. Er sah ihr an, dass sie so etwas noch nicht erlebt hatte, und wie fertig es sie machte. Bei dem Kampf im Schloss war sie geistig nicht anwesend gewesen, aber jetzt schon...
Er kannte diesen Gesichtsausdruck eigentlich. Er hatte ihn bei Männern gesehen, die gerade ihre Frau verloren, bei Mädchen und Jungen, die ihre Freunde sterben sahen und bei Kindern, die miterlebten, wie er ihre Mutter tötete. Der Moment, in dem das eigene Universum zusammenbrach, nicht nur, weil man jemanden verlor, sondern auch, weil man seine ganze Unschuld verlor. Man verlor die naive Hoffnung, es gäbe solch grausame Taten nicht. Und genau das erlebte gerade Keira. Sie war schlichtweg überwältigt von der Grausamkeit. Er sah es. Er sah, wie sie auf das Blut starrte, dass die Straße hinab lief, als wäre es Säure, die sie verschlingen und auflösen könnte. So viel Blut auf einmal. Er sah auch, wie sie sich doch regte, als der Geruch in ihre Nase kroch. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und krümmte sich leicht. Ihre Augen schlossen sich. Es sah aus, als würde sie gleich umkippen. Dann öffnete sie auf einmal die Augen und ihr Blick auf Alex. Sofort erstarrte sie. Sie starrte ihn einen langen Moment lang regungslos an, bis sie sich auf einmal mit einer zackigen Bewegung aufrichtete und die Hand vom Mund nahm. Sie hatte sich gefangen. Aus Trotz.
Keira lief mit entschlossenen, allerdings dennoch etwas wackligen Schritten, auf Daisukes beinahe leblosen Körper zu. Sie kniete sich neben Lala auf den Boden und versuchte, ruhig zu atmen, während sie die Wunden ausfindig machte. Als sie das getan hatte, holte sie tief Luft, wobei sie den entsetzlichen Blutgestank so gut es ging ignorierte, und holte ihr Messer heraus. Ohne zu überlegen zog sie ein Stück ihres Kleides unter ihren Knien hervor und schnitt es ab. Den so entstandenen Streifen Stoff rollte sie zusammen und legte ihn auf die blutende Stelle an seinem Nacken. "Daisuke?", fragte sie mit möglichst fester Stimme. "Das könnte etwas weh tun, aber es hilft dir, versprochen." Sie biss sich auf die Lippe und zögerte kurz, bevor sie sich überwand. Sie drückte das Stück Stoff auf die Wunde. Ihre Finger wurden warm und feucht, als sich der Stoff mit Blut voll sog. Keira wurde schlecht. Dennoch übte sie noch mehr Druck aus. Währenddessen dachte sie fieberhaft nach. Was war in so einer Situation noch einmal zu tun? Sie hatte es gelernt, zumindest theoretisch... Da sie sich damals, als sie noch bei den anderen Elfen gewohnt hatte, als Kriegerin oder Waldläuferin äußerst, nun ja, ungeschickt angestellt hatte, hatte man den Versuch gestartet, sie als Heilerin auszubilden. Aber damals war sie zu jung gewesen, um zu wissen, wie wichtig Aufmerksamkeit bei solch einem Unterricht war... Und jetzt erinnerte sie sich an nicht viel. Aber an die vielleicht wichtigsten Dinge konnte sie sich erinnern.
Sie blickte von Daisuke auf und schrie nun aus vollem Halse: "Hilfeeee! Wir haben einen Verletzten! Jemand wurde verletzt! Hilfeeeeeeee!"
Danach konzentrierte sie sich gleich wieder auf ihren 'Patienten'. Oh je, armer Daisuke, dachte sie. Er hätte sich in diesem Moment wahrscheinlich besser verarzten können als sie. Sie blickte zu seinem Bein. Es war abgebunden. Kluger Krieger. Sie riss mit einer Hand noch einen Fetzen Stoff von ihrem Kleid ab und machte ihn zu einem Knäuel. Dieses drückte sie auf die Wunde, bevor sie das Stoffband, das um das Bein gewickelt war, etwas lockerte. Nur ein wenig, damit Daisukes Bein genug Sauerstoff bekam. Dann drückte sie die beiden Stoffknäuel wieder stärker in die zwei Wunden und hoffte auf ein Wunder. Vielleicht verstanden die anderen Krieger etwas davon, wie man einen verletzten Kameraden rettete? Eigentlich müsste das so sein.

Keiras Verzweiflung hatte ihn getroffen. Bei den Angehörigen seiner Opfer hatte ihm das irgendwann nicht mehr so viel ausgemacht, aber bei Keira... Haute es ihn fast um. Es war, als konnte er in ihre Seele sehen, als müsste er es, unfreiwillig... Sein Blick wandelte sich. Das Misstrauen verschwand und wurde zu Panik. Nicht nur, weil ihn Keiras eigene Verzweiflung ansteckte, sondern auch, weil er begann, zu begreifen, was er getan hatte. Er sah zu Daisuke. Das hätte nicht sein müssen. Er hatte nicht von ihm trinken wollen, und er hätte Alex nicht töten können. Alex hätte weglaufen können. Er hätte einfach nur ausweichen können. Das hier war unnötig gewesen. Das Böse, das Grauenvolle, das Unverzeihliche seiner Tat traf ihn mit einer Wucht, die ihn fast von den Beinen riss. Erschrocken starrte er auf die Szene. Der Halbtote und seine angsterfüllten Kameraden. Im nächsten Moment fragte er sich, warum es ihn so traf. War er jetzt vollkommen verweichlicht? Er schüttelte diese Vorstellung ab. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Die letzten zwei Tage zogen vor seinem inneren Auge vorbei. Alles war durcheinander. Alles war ineinander verdreht, auf den Kopf gestellt. Keira... sie hatte alles umgekehrt. Gut und Böse. Richtig und Falsch. Hoffnung und Angst. Freund... und Feind. Und dann hatte sich die Welt um sie gedreht. Aber jetzt... Alex sah gen Himmel. Es zogen tatsächlich dunkle Wolken auf. Die Götter mussten gesehen haben, dass es nicht funktionieren würde. Und jetzt rückten sie alles wieder gerade, stellten die alte Ordnung wieder her. Ohne Rücksicht auf Verluste. Alex drehte sich nach hinten um. Bürger kamen angerannt, schreiend und kreischend. Andere liefen weg, brachten ihre Kinder in Sicherheit, da sie die Gefahr erkannt hatten. Der erste zog ein Messer. Es war Zeit, zu gehen.
Alex stand auf, wischte sich mit dem Ärmel seines schwarzen Mantels das Blut von den Lippen, warf einen letzten bedauernden Blick auf Keira, Daisuke und die anderen, und verschwand.
Die Messer wurden wieder weggesteckt, doch das Geschrei wurde zu einem die ganze Stadt erfüllenden Klagen. Jeder wusste bald: ein Vampir war hier gewesen.
Der erste Regentropfen fiel.


[ist das zu viel Drama? kommt davon, wenn man soundtracks beim schreiben hört...]

Daisukes Körper fiel zu Boden. Das dumpfe Plumpsen eines Lebewesens auf dem kalten Steinboden verleitete Lala doch dazu, hinzusehen, jedoch wünschte sie sich nur einen Moment später, dass sie es nicht getan hätte. Ihr großer Bruder lag mehr t*t als lebendig auf der Straße und sein Blut floss langsam in alle Richtungen und färbte die hellgrauen Pflastersteine in einem dunklen rot.
Daisuke zuckte noch mit den Händen und versuchte an sein Schwert zu gelangen, welches ihm nach Alex' letzter Attacke aus der Hand gefallen war, musste aber letztendlich doch aufgeben, da er sonst noch mehr Blut verlieren würde. Die Fernangreifer der Truppe hatten sich von ihren Positionen entfernt und liefen nun auf den Kampfplatz zu. Der Kampf war vorbei. Und nun?
Lala konnte sich aus ihrer Starre lösen und lief mit immer schneller werdenden Schritten auf den halbtoten Korpus ihres Verwandten zu, an welchem sie schließlich mit von ihrem Tränen verschwommener Sicht ankam. Die junge Kriegerin beugte sich über den nahezu leblosen Körper und suchte nach einer Stelle, die nicht bereits von tiefen Bisswunden oder Blutflecken übersät war um Daisuke mit ihrer Berührung zu signalisieren, dass es jetzt vorbei ist und sie bei ihm ist.

Keira schrie auf, als der Kampf losging. Der erste Angriff ging schnell, sie bekam ihn kaum mit, bis sie Alex dahocken sah, mit von Blut tropfenden Lippen. Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie ihn an. Aus seinem Blick sprach der pure Hunger nach T*d und Verderbnis... Keira wusste nicht, was sie tun sollte; ihr Körper wollte sich nicht vom Fleck bewegen, um wegzulaufen, und eingreifen konnte sie auch nicht. Das einzige, was ihr blieb, war, nach Lalas Hand zu greifen und ihr in ihr nicht minder verzweifeltes Gesicht zu starren. Wenn selbst sie, die schon dutzende Kämpfe mitangesehen haben musste, jetzt nur ganz knapp einen Teil der Fassung bewahren konnte...

Alex fauchte verärgert, als erneut etwas seine Haut zerschnitt. Arm. Schulter. Wange. Egal, wohin er auswich, dort flogen auch Dolche. Als Daisuke den Angriff kurz unterbrach, checkte Alex mit schnellen Blicken seine Wunden. Alles okay, nur mehr oder weniger oberflächliche Schnitte, die er allesamt überleben würde. Aber der Durst... Bei jedem Tropfen, den sein Körper verlor, verlangte dieser nach zehn mehr. Seine Augen zuckten hin und her, suchten die Umgebung ab. Der Magier und der Bogenschütze auf dem Dach. Zu weit weg. Zu viel Widerstand. Daisuke... bäh. Sein Blut war bitter. Doch dort, einige Meter entfernt, standen alle drei zusammen... Fai, Lala und... Keira... Seine Pupillen weiteten sich. Er starrte sie an. Sie merkte es und starrte zurück. Als sie den Ausdruck in seinem Blick bemerkte, erstarrte sie und versuchte noch einen Schritt zurück zu gehen, doch da stand Fai. Sie schüttelte langsam den Kopf und verzog gequält das Gesicht. Er konnte sehen, dass sie den Tränen nahe war, und seltsamerweise verstand er jetzt genau, warum. Es war sehr viel für sie gewesen in 48 Stunden, und sie schien die Art Elfe zu sein, die so etwas einfach wegstecken konnte. Die ganze Kriegertruppe bestand aus hart gesottenen Leuten, die keine Katastrophe in die Knie zwingen konnte. Sie alle(nun ja, fast alle) konnten Herr über ihre Gefühle werden und die Kontrolle bewahren, um alles besser verkraften zu können. Es war wirklich bewundernswert, wie alle nur dastanden, während ihr Kamerad angegriffen wurde. Aber Keira konnte das nicht. Alex spürte ihre Hilflosigkeit, roch ihre Angst und hörte, wie schnell ihr Atem ging. Ein Teil von ihm schrie danach, sie aus dieser Situation zu retten. Der andere... wollte sie beißen.

Seine Unaufmerksamkeit rächte sich schnell, denn als Fai erneut mit dem Schwert auf ihn zu stürzte, ging es wirklich nur haarscharf gut. Er schlüpfte um einen Zentimeter unter dem Schwert hindurch und sprang hinter Daisukes Rücken. Diesen kurzen Moment, in dem dieser dadurch praktisch wehrlos war, nutzte er aus und biss ihm von hinten in den Hals. Nur kurz. Es war alles berechnet. Seine Zähne wussten ganz genau, wie weit sie sich in das Fleisch des Kriegers graben mussten, um ihn gerade so nicht umzubringen. Er verletzte nicht einmal seine Halsschlagader großartig, hauptsächlich, weil er sich vor dem Geschmack ekelte. Bevor Daisuke sich umdrehen konnte, zog sich Alex ein Stück zurück und blieb wieder auf dem Boden hocken, diesmal deutlich weiter weg von der Dreiergruppe, um sie aus der Sache besser heraushalten zu können und.. um nicht mehr von Keiras Geruch abgelenkt zu werden.

Daisuke stöhnte kurz vor Schmerz, als Alex seine spitzen Zähne in seine Elfenhaut stieß. Trotz seines dämlichen Verhaltens war er immerhin noch ihr Bruder gewesen. Sie konnte nicht mehr. Wenn sie weiterhin zusehen würde, würde sie ihm am Ende doch noch helfen, und das konnte sie nicht tun. Deshalb wandte sie ihr Gesicht in die entgegengesetzte Richtung, um den Kampf nicht mehr mitansehen zu müssen. Eine stille Träne. Ein unterdrückter Schrei. Warum konnten sie nicht einfach aufhören?!

Ihr Bruder wandte sich zu dem hockenden Vampir und grinste trotz des Schmerzes unverschämt in sein Gesicht. "So so, traust du dich wohl doch noch deine kleinen Krallen auszufahren, Kätzchen?", zog er ihn auf.
Er warf noch mehr Dolche in seine Richtung und fügte ihm so mehrere kleine Schnittwunden zu.
Daisuke riss sich einen längeren Stoffstreifen aus dem Saum seiner Kleidung und band sich das verletzte Bein ab. Dann erhob er sich wieder mit einem Blick, so stark, dass Berge hätten zerspringen können, und lief mit blitzendem Schwert auf seinen Gegner zu, um ihn mit einem Frontalhieb endgültig unschädlich zu machen.

Daisukes offenkundiger Verlust seines Verstandes verschlug Keira den Atem. Sie starrte ihn halb fassungslos, halb wütend an und wäre so stehen geblieben, wenn sie Fai sie nicht weggezogen hätte. Sie stolperte rückwärts mit ihm mit und schüttelte ungläubig und energisch den Kopf. "Verrückter!", stieß sie verblüfft aus.

Alex gefiel das alles gar nicht. Erstens, Daisuke hatte Keira angeschrien und gleichzeitig ihn selbst beleidigt. Zweitens er benahm sich wie ein totaler Idiot, so wie er mit einem Schwert herumfuchtelte. Und das war das Schlimmste: der durchschnittliche Idiot besaß keine Waffe, dieser hier dummerweise schon. Innerhalb eines Moments (besser gesagt des Moments, in dem der besagte Idiot seine Schwester erschlagen wollte) kam Alex zu dem Schluss, das dem allem Einhalt geboten werden musste. Jetzt halfen weder drohende, noch besänftigende, noch zynische Worte, um den Wildgewordenen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er war ein unberechenbarer Feind geworden, und bei dieser Sorte von Gegner blieb nur noch eines: ausschalten.
Alex ging in geduckte Haltung und knurrte. Es war nicht irgendein Knurren oder wie das leise, drohende Knurren von vorhin, nein. Das hier war das Knurren einer entfesselten Bestie, eines Jägers. Und es war die Art von Knurren, die jedem Zuhörer sofort verriet: Wer jetzt nicht schnell genug läuft, der wird zu Hackpastete verarbeitet.
Keira zuckte zusammen und taumelte nach hinten. Glücklicherweise stand dort Fai, sonst wäre sie nach hinten umgefallen. Hoffentlich hatte Lala nichts dagegen, dass sie ihren Verlobten vorübergehend als rücken- und stabilitätsschützende 'Wand' missbrauchte. Eine Wand mit bewiesenem Verteidigungsmechanismus, sehr gut.
"Daisuke", grollte es furchterregend aus Alex' Kehle, während er dem Krieger einen Blick schenkte, vor dem sich selbst die Medusa fürchten würde.
"Jetzt ist mein Geduldsfaden endgültig gerissen."
Und mit diesem guten Stichwort stürzte er auf Daisuke zu, tauchte unter seinem Schwert durch und warf sich so gegen seine Beine, dass er umfallen musste. Um auf Nummer sicher zu gehen(und weil es Spaß machte), versenkte Alex außerdem seine Eckzähne in das erstbeste Stückchen Fleisch, das er zu fassen bekam; es traf Daisukes rechten Oberschenkel. Ohne viel Zeit vergehen zu lassen oder abzuwarten, dass der Körper seines Gegners auf dem Boden aufschlug(und dabei liebte er diesen Moment sehr), ließ er von ihm ab und stieß sich von ihm ab, um ein Stück weg zu springen und in der Hocke zu landen. Sein Mund tropfte von Blut. Er leckte sich mit vernichtendem Blick die Lippen und starrte wie ein wildes Tier auf Daisuke.

"HALT DEN MUND!", rief er wutentbrannt Keira zu, "für ihn bist du doch nur ESSEN!"
Okay, Daisuke, das hätte jetzt wirklich nicht sein müssen...
Lala sog mit einem Zischlaut die Luft schnell ein und starrte ihren Bruder entsetzt an. So hat sie ihn noch nie gesehen.
Der temperamentvolle Krieger schlug mit seinem imposanten Schwert wild um sich, wie als hätte er jegliche Kontrolle über seine Aktionen verloren.
Dabei traf er fast Lala, die aber noch alle in ihrer Umgebung wegschubsen konnte und sich selbst gerade noch im letzten Moment ducken konnte, wobei sie eine Strähne ihres schwarzen Haares verlor.
"Alex, geh bitte...bevor die Situation noch eskaliert...", bettelte Lala. Wow. Das war jetzt irgendwie merkwürdig. Vor fünf Minuten noch würde sie ihn bei jeder Gelegenheit in der Luft zerfleischen und jetzt bat sie ihn wehleidig darum, für seine eigene Gesundheit zu gehen? Wie tief man als Krieger an einem einzigen Tag nur sinken konnte...einem Vampir eine Aufenthaltserlaubnis für eine Stadt voller Frischblut zu geben, sich mit betrunkenen Wachen schlägern, versuchen einen Vampir zu retten. Sehr...außergewöhnlich.
"Wie kannst du es nur wagen?! ER. BLEIBT. HIER. Das regeln wir jetzt, hier, ein für alle Mal!" Jetzt rastete Daisuke wohl noch mehr aus, sein Breitklingenschwert sauste auf Lala herunter, welche gerade noch durch Fais Schwert gerettet wurde.
Fai und Daisuke sahen sich einige Momente sehr intensiv an. Es käme einem Außenstehenden schon fast so vor, als ob die beiden eine mentale Konversation halten würden. Danach richtete Der Wütende sich wieder auf und ließ von den anderen Kriegern ab. Er fixierte sich nur noch auf den Vampir.
Fai brachte indes, ohne seinen verrückt gewordenen Kameraden eines Blickes zu würdigen, seine Verlobte und Keira weiter weg von den Geschehnissen. Besser gesagt, er zerrte sie weiter weg, um sie in Sicherheit zu bringen und so bildete er so etwas wie einen Kampfring für die beiden Streithähne.

[ Verzeih mir, Pascal war bis gerade eben da... aber jetzt :]

Keira nickte erleichtert und versuchte dann den Rest der Situation zu überblicken. Als sie sah, dass Daisuke gerade mit einem Schwert in der Hand auf Alex zu lief, verlor sie die Geduld und die Beherrschung. Sie machte einen Satz nach vorne, so dass sie nur noch wenige Meter von ihm entfernt war , und schrie wütend:"Du verdammter Spinner, hör endlich auf mit dem Blödsinn!"

Alex wurde durch Keiras kleinen Ausraster abgelenkt, so dass er nicht rechtzeitig auswich als einer der Wurfdolche auf seinen Arm zuflog. Er zuckte zusammen, zog den Arm sofort zu seinem Körper und sprang reflexartig zur Seite. Hoffend, Daisuke hätte ihn für einen Moment aus den Augen verloren, blieb er kurz an der Wand hinter Keira, Lala und Fai stehen, um seine Wunde zu begutachten. Ängstlich zog er den etwas blutigen Stoff von seiner Haut weg, doch er konnte erleichtert aufatmen. Der Dolch hatte ihn prakitsch nur gestreift, sein Arm war nur mäßig verletzt. Zwar verlor er etwas Blut, und er spürte genau, wie jeder Tropfen ihn ein bisschen durstiger machte, aber es war nicht sehr schlimm. Es würde gehen.
Er zog den Stoff schnell wieder über die etwa eineinhalb Zentimeter tiefe Wunde und blickte auf. Wütend. Das hier war jetzt kein Spaß mehr.
"Daisuke, ich habe dich gewarnt!", knurrte er von seinem Standpunkt aus, weswegen sich Keira gleich überrascht umdrehte und ihn mit großen Augen anstarrte. War das Blut? Er war verletzt...
Alex trat zwischen Lala und Keira hervor und starrte Daisuke wutentbrannt an. "Du reizt meine Geduld wirklich ein wenig zu sehr aus... Du dummer Tor." Bei den letzten Worten verwandelten sich seine Lippen in ein bitterböses Grinsen. Er lachte hämisch. Er war wieder dabei, alles andere zu vergessen. Wenn man einen Vampir angriff... sollte man nicht mit Mitgefühl rechnen.