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Keira war beinahe angekommen, da hörte sie Sianna schon leise. Sie verlangsamte und ging dann in Gehen über. Ihr Keuchen hörte schnell auf und sie wirkte so, als ob sie hierher geschlendert wäre. Als sie Sianna sah, lächelte sie und hob ihren Lederbeutel auf. Erst als sie sich wieder aufrichtete, sah sie das kleine Kaninchen auf Siannas Schoß.
Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich sofort in Verzücktheit.
"Oooh... Wie süß!" quietschte sie förmlich. "Wo hast du das denn aufgegabelt? Das ist ja wirklich zu niedlich!" Begeistert kniete sie sich neben Sianna und streichelte das Kuschelige Knäuel vorsichtig.

Sianna betrachtete das kleine Kaninchen vor ihr. Wenn man seine schwarzen Knopfaugen länger als ein paar Sekunden betrachtete schmolz man praktisch dahin. Sie sank ganz vorsichtig und ohne irgendeinen laut auf die Knie. Fiebrig dachte sie darüber nach wie sie es schaffen könnte das Kaninchen zu sich zu locken. Sie schaute sich in der Gegend um. In ihrer Näher war ein Busch mit Himbeeren. Vorsichtig setzte sie einen Schritt vor den anderen. Dann streckte sie ihren Arm aus und schnappte sich einen kleinen Zweig mit den Beeren. Sie wusste nicht ob Hasen das mögen, aber sie hatte nichts anderes. Dann setzte sie sich wieder auf den Boden und streckte dem Kaninchen zaghaft entgegen. Nun bemerkte das Kaninchen erst dass es in Gesellschaft war, es blieb stand ruhig sitzen und atmete sehr schnell. Dann hüpfte es vorsichtig auf Sianna zu. Sie wunderte sich dass das Tier so zutraulich gegenüber Menschen war. Schließlich saß es direkt vor Sianna und sah ihr in die Augen. Es zupfte sich ein Blatt des Zweiges mit den Himbeeren ab und verschlang es in aller Ruhe. Sianna streckte ihre Hand aus und nahm es in den Arm. das Kaninchen schien keine Angst zu haben, es wehrte sich auch nicht. Es war wunderschön und kuschelig. Sein Fell war ganz weich, sodass man es am liebsten den ganzen tag gestreichelt hätte. Mit dem Kaninchen auf dem Arm stand Sianna auf und lief vorsichtig durch den Wald. Schließlich kam sie an die Stelle an der Keira die Misteln gefunden hatte. Sie hielt das Kaninchen vor einen Busch mit Misteln und es schreckte zurück.
"Du scheinst wohl keine Misteln zu mögen, was?"
Als Antwort bekam sie nur ein leises Fiepen. Sianna ging weiter bis sie an eine Stelle kam, an der das Gras noch grüner war als im Rest des Waldes. Sie setzte es auf den Boden und das Kaninchen stürzte sich auf das Gras. Während es aß, besorgte Sianna ein paar Kräuter, ein bisschen Gras und Löwenzahn. Sie legte es dem Kaninchen hin, doch es schien satt zu sein. Gerade als Sianna aufstand, um zu gehen, hoppelte das Kaninchen hinter ihr her. Anscheinend mochte es sie.
"Aber ich kann dich doch nicht von deiner Familie trennen!", sagte sie bestürzt.
Das Tier sah sie an und Sianna begriff dass es gar keine Familie hatte.
"Dann kommst du eben mit mir. Ich werde deine neue Familie sein."
Sie hob das Kaninchen hoch, sammelte die Kräuter, Gräser und Löwenzahnstücke ein und setzte sich auf einen nahegelegenen Baumstamm.

"Okay, mach das, bis nachher."
Keira kraxelte auf den Baum und schnitt die Misteln ab. Dann sammelte sie alle vom Boden ein, band sie zusammen und legte sie behutsam in den Lederbeutel, damit sie nicht geknickt wurden.
Als sie bemerkte, dass Sianna außer Sichtweite war, kam ihr ein Gedanke in den Sinn. Sie legte den Lederbeutel auf den Boden, stellte sich hin, musterte einen Augenblick lang prüfend ihre Umgebung, und dann rannte sie los. Erst war es mehr ein schnelleres Laufen, doch sie beschleunigte nach kurzer Zeit und war nach einem Moment schneller, als ein Mensch es könnte. So weit war sie schon gekommen. Anfangs hätte sie nicht schneller als ein Mensch sein können, aber nach langem Üben und Training war es ihr gelungen. Jetzt war der schwierige Teil nur noch, bei dieser Geschwindigkeit Bäumen und Ästen auszuweichen.
Keiras Gehirn verfiel nun in den Zustand, den sie schon kannte. Alles wurde ihr vollkommen bewusst, sie nahm alles war, konnte sich auf jedes Detail konzentrieren. Dies war eine Fähigkeit, die jede Elfe von Geburt an besaß. Sie musste nur durch bestimmte Situationen 'aktiviert' werden, zum Beispiel durch drohende Gefahr oder Rennen.
Trotzdem fiel es ihr schwer, ihren Körper zu kontrollieren. Sie wusste zwar immer, wenn ein Ast im Weg war, aber sie schaffte es jedes Mal nur knapp, mit den Füßen auszuweichen. Dennoch genoss sie das Rennen. Es war nicht so, wie Menschen rannten. Das war anstrengend und sah nicht sehr elegant aus. Wenn Elfen rannten, flogen sie eigentlich vielmehr. Und das fühlte sich toll an. Die Geschwindigkeit, dieser Rausch der Sinne, in dem man alles wahrnahm, und der Wind, der einem am Gesicht entlangstrich.
Dann jedoch tauchte hinter ein paar Bäumen plötzlich ein großer Haufen Äste auf, vor denen Keira nicht ausweichen konnte. Sie riss die Augen vor Schreck weit auf, ihr Fuß blieb an einem dicken Zweig hängen, und sie stolperte. Durch den Schwung, den sie hatte, flog sie über den Haufen und drohte, an einen Stamm zu knallen, doch sie schaffte es, ihre Beine nach vorne zu strecken, sich von dem Stamm abzustoßen, sich mit den Händen auf dem Boden abzustützen und in einer schnellen Rolle den Sturz abzufangen. Schließlich war sie auf dem Boden, halb in der Hocke, das eine Bein halb ausgestreckt, so dass sie gleich wieder loslaufen können würde. Doch sie verharrte so, schnappte nach Luft und keuchte erschrocken und erschöpft. Als sie sich beruhigt hatte, setzte sie sich hin, und dann wurde ihr klar, wie gut sie dem Sturz in eine saubere Landung umgewandelt hatte. Stolz grinste sie. Auch wenn sie wieder gestolpert war, das gerade war ein Erfolg gewesen. Glücklich stand sie auf und rannte in langsamerem, ungefährlichen Tempo zurück zu der Stelle, an der sie ihren Lederbeutel hatte liegen lassen. Jetzt war sie ihrem Ziel wieder ein Stück näher gekommen. Aber hoffentlich war Sianna noch nicht zurückgekehrt, sonst hätte sie bemerkt, dass Keira fehlte...

"Natürlich. Ich sehe mich etwas um während du dich um die Misteln kümmern, ja?"
Sianna drehte sich um und betrachtete den Wald. Ein paar einzelne Sonnenstrahlen fielen durch das grüne Blätterdach und tauchten den Wald in eine Farbe, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Es war atemberaubend. Das Moos am Boden fühlte sich weich und kuschelig an. An den Blättern schimmerten einzelne Tautropfen vom Morgen. es passte alles perfekt ins Bild und nichts fehlte. Doch weiter hinten im Wald, dort war ein schwacher Nebel zu sehen. Und wie schön es hier auch war, Sianna bewegte sich unbewusst und langsam auf den Nebel zu. Als sie schließlich dort angekommen war, wo einst der Nebel gewesen war, war dort eine Lichtung. Inmitten der Lichtung ragte ein abgesägter Baumstumpf in die Höhe. Der Stumpf war anscheinend ausgehöhlt worden, denn man konnte sehen was in dessen innerem war. Sianna war enttäuscht denn sie hatte etwas spannenderes erwartet, doch alles was sie gefunden hatte war ein Baumstumpf. Schließlich legte sie sich auf den Boden, betrachtete den Wolkenlosen Himmel und ließ ihre Gedanken in den höchsten Lüften kreisen.
Plötzlich knackte es neben ihr und sie setzte sich schlagartig auf. In einer sehr merkwürdigen Kampfhaltung , saß sie da und schaute umher woher das Geräusch gekommen war. Dann erstarrte sie plötzlich als sie es sah. Es war ein kleines schwarz-weißes Kaninchen, das neben ihr auf der Lichtung gemütlich graste. Sianna verharrte in ihrer Haltung und versuchte keinen Muks von sich zu geben.

Sie passierten die Stadttore, nickten den Wächtern freundlich zu und liefen eine Weile am Fluss entlang. Schließlich erreichten sie den Wald.
Keira entspannte sich mit jedem Schritt mehr. Sie gehörte in den Wald. Das Stadtleben gefiel ihr, aber es zog sie doch immer in die freie, unberührte Natur. Das lag in ihrem bl*t.
Sie lächelte und sog den besonderen Duft ein, der ihr entgegenströmte. Saftige Blätter, frische Rinde, selbst die feuchte Erde roch herrlich.
Nach einiger Zeit entdeckte sie die ersten Misteln an einem Baum und blieb stehen. "Die brauche ich." sagte sie. "Können wir kurz anhalten?"

Sianna überlegte kurz ob sie auch etwas gebrauchen könne, für diesen Ausflug, doch schließlich nickte sie Keira zu.
Sie war froh endlich jemanden gefunden zu haben der sie anscheinend mochte. Da sie ja kürzlich erst in diese Stadt gekommen war hatte sie noch keine Freunde gefunden, und das fehlte ihr sehr.
Vor lauter Nachdenken hatte Sianna vergessen zu laufen und war auf halben Wege stehen geblieben. Sie schreckte hoch, entschuldigte sich und lief zu Keira damit sie ihren gemeinsamen Weg zum Wald fortsetzten konnten.

[jetzt, da meine Klausurenzeit (fast) vorbei ist, kann ich auch wieder schreiben...]

"Naja, dann würde ich in den Wald gehen. Ist bestimmt nett heute, das Wetter ist sehr schön." sagte sie lächelnd. "Ich nehm nur einen Beutel für die Kräuter mit."
Sie holte einen Lederbeutel und knotete dessen Bänder um ihren Gürtel, an dem auch ihr Messer befestigt war. Mehr brauchte es nicht, um Kräuter zu sammeln. Nur das Wissen darüber, welche nützlich waren.
Dann holte sie noch etwa die Hälfte ihres Geldes aus ihrer Tasche hervor und versteckte es sorgfältig. "Können wir gehen?", fragte sie Sianna dann.

Sianna bedachte Keira mit einem durchdringendem Blick.
"Hm..na gut, wohin solls denn gehen?

Keira lachte und sagte dann:"Du musst mir nicht so oft danken, ist wirklich kein Problem! Du bist angenehme Gesellschaft."
Dann überlegte sie kurz, was es zu tun gab. "Aalso... ich müsste in den Wald und Kräuter pflücken..."
*Und meine Pflichten erfüllen, aber das geht nicht, wenn sie dabei ist...*
"Aber wir müssen auch nicht unbedingt etwas arbeiten, wir können auch einfach durch die Stadt spazieren gehen. Wie du willst."

"Okay, sag mir was ich machen soll, und dann Auf die Pferde!", lachte Sianna.
"Du bist wirklich sehr freundlich zu mir, dafür wollte ich dir danken."

Sie lächelte freundlich. "Ist doch kein Problem, mach ich doch gerne." Dann fügte sie mit einem Grinsen hinzu: "Okay, super, wenn du wieder laufen kannst, dann kannst du mir ja total gut dabei helfen, zu arbeiten!"

"Oh..dem geht es schon viel besser Danke. Nochmals Danke für deine Fürsorge. Du bist die einzige die mir im Moment zur Seite steht. Mir geht es denke ich wieder so gut, dass ich laufen kann.", sagte Sianna.

"Wie geht es denn inzwischen deinem Bein? Du solltest mir nämlich lieber nicht helfen, wenn es immernoch schmerzt."

"Oh, nein ganz und gar nicht. Ich kann dir ja auch helfen. Schließlich hast du mir geholfen. Also schulde ich dir eigentlich etwas."
Sianna lächelte ebenfalls und freute sich darüber dass Keira sie anscheinend auch mochte.
"Ach und danke für das Kompliment. Du bist auch sehr nett."

"Nein nein, es stört gar nicht, wenn du hier bist. Du bist nett." Sie lächelte.
"Aber ich hoffe du hast nichts dagegen, wenn ich mich ein bisschen um den Haushalt und den Garten kümmere, während du da bist?"

"Oh sehr gerne Vielen Dank. Aber ich kann auch gehen, wenn ich dich damit irgendwie aufhalte.", meinte Sianna verlegen.
Sie blickte sich in der kleinen Wohnung um, und stellte fest, dass sie sehr hübsch war. Schön eingerichtete. Wenn auch nicht groß, aber genug Platz. Sie war sogar fast etwas neidisch auf Keira.

Keira lächelte sie freundlich an und sagte:"Klar, du darfst so lange bleiben, wie du willst. Aber ich muss kurz meine Sachen vom Markt holen, nicht dass mir jemand die ganzen Früchte klaut...Bis gleich!"
Sie lief schnell zum Markt, der nicht weit entfernt war, und stellte erleichtert fest, dass all ihre Sachen noch da waren. Sie packte alles zusammen und vergewisserte sich noch kurz, ob der Bote bei Siannas Schneidermeister angekommen war, dann ging sie zurück zu ihrem Haus, meldete sich bei Sianna zurück und stellte die Körbe auf dem Tisch ab.
*Dann wird es heute wohl nichts mit dem Arbeiten. Naja, auch nicht schlimm, bleibt mehr Zeit für mich*, dachte sie.
Sie wandte sich Sianna zu und fragte sie: "Kann ich noch was für dich tun? Willst du etwas essen oder etwas unternehmen, was dich etwas ablenkt?"

Sianna setzte sich auf und versuchte sich möglichst wenig zu bewegen.
"Danke für deine Hilfe. Mir geht es auch schon viel besser. Vielen Dank nochmal.", bedankte sie sich.
Sie versuchte aufzustehen und zog sich an einer Wand hoch. Als sie es schaffte zu laufen, bedankte sie sich noch einmal und fragte ob sie noch etwas bleiben könne, um sich auszuruhen. Keira schien ihr wirklich nett, und vielleicht konnten sie ja mal gute Freundinnen werden.
Es freute sie, dass sie vielleicht bald irgendjemanden kennen würde in dieser Stadt. Denn sie war schon sehr allein.

"Kluge Entscheidung.", meinte Keira nickend.
Sie stützte Sianna auf dem Weg zu sich nach Hause und setzte sie dann auf einen Stuhl im Erdgeschoss. Dann lief sie nochmal nach draußen, schickte einen Boten zu Siannas Schneidermeister und kam wieder zu ihr zurück.
"Wir sollten uns wohl mal um die Wunde kümmern.", sagte sie und verschwand kurz oben, dann kehrte sie mit Verbandszeug, einer Schere und einem Krug Wasser zurück. Sie nahm noch eine Schüssel aus dem Schrank und hielt sie unter Siannas Bein, dann spülte sie vorsichtig die Wunde aus. Dann stand sie auf und sagte: "Wir lassen die Wunde noch kurz offen, dann wird der Dreck rausgespült. Solange koche ich dir eine Salbe."
Keira sammelte verschiedene Kräuter zusammen, zerhackte sie und verrührte alles in kochendem Wasser. So tapsig sie bei grobmotorischen Bewegungen war, so schnell und geschickt war sie bei feineren Bewegungen wie Kochen und ähnliches.
Nach kurzer Zeit war die Salbe schon fertig, Keira ließ sie kurz abkühlen und nahm sich dann ein zusammengewickeltes Tuch, um sie auf Siannas Beinverletzung zu verteilen. Dabei sah sie die Verletzte immer wieder prüfend an, ob ihre Behandlung womöglich schmerzhaft für sie war.
Als die Salbe verteilt war, wickelte Keira die Verbände vorsichtig, aber fest um Siannas Bein, schnitt den Rest weg und verknotete alles.
Dann stand sie wieder auf, fing an, die Sachen aufzuräumen, und fragte Sianna nebenbei, ob es ihr jetzt etwas besser ging.

"Hmm..naja gut..woanders kann ich ja in diesem Zustand eh nicht hin!", Sianna ließ sich helfen und humpelte mit Keira zu ihr nach Hause.
Sie überlegte ob Keira und sie vielleicht eines Tages mal gute Freunde werden würde. Aber das schien ihr noch in unerreichbarer Zukunft. Also versuchte sie erst einmal den Schmerz zu unterdrücken und humpelte weiter. Trotzdem machte sie sich sorgen wegen ihrer Arbeit.

"Du gehst jetzt jedenfalls mal nicht in die Arbeit.", sagte Keira bestimmt.
"Als erstes kümmern wir uns um deine Wunde, das wird dein Meister schon verstehen. Du kommst am besten zu mir nach hause und ich schicke jemanden, der dich bei dem Schneider krank meldet. Einverstanden?"
Sie versuchte ihr hochzuhelfen, so dass sie wenigstens auf einem Bein stehen und sich auf Keira abstützen konnte, denn tragen würde Keira sie nicht können.

Sianna versuchte sich aufzurappeln, doch als sie zu stehen versuchte, hatte sie plötzlich stechende Schmerzen in ihrem verletztem Bein und ließ sich auf den Boden fallen.
"Oh nein, danke...es..es geht schon...ich muss es nur..in die Arbeit schaffen.", brachte Sianna ruckartig heraus.
Sie zog sich an einem Pfosten hoch und lief ein paar Schritte. Doch sie fiel sofort wieder hin weil sie die unerträglichen Schmerzen nicht ignorieren konnte.
*Na toll*, dachte sie sich, *Mein zweiter Arbeitstag, und ich muss mich schon wieder gleich verletzten. Wäre ich doch bloß nicht gerannt*.
Sianna saß verzweifelt auf dem Boden. Nur noch ein paar Minuten und sie würde zu spät kommen. Aber mit dieser Verletzung am Bein kam sie nicht sehr weit. Sie strich mit den Finger über die Wunde, und versuchte die Blutung zu stoppen. Viel bl*t war es nicht, aber gerade so viel das es sehr schmerzhaft war.
Sianna seufzte und sagte: "Nun, in Anbetracht der Tatsachen. Ich hab mich ein bisschen am Bein verletzt, komme gleich zu spät zur Arbeit und weiß nicht was ich mit der Wunde machen soll...".
Sie ließ den Kopf auf ihre Knie sinken und war verzweifelt.

Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch das undichte, aber hübsche Fenster in Keiras Zimmer und wanderten langsam über den Boden zu ihrem Bett, bis sie auf ihr Gesicht schienen. Keira stöhnte leise im Schlaf und drehte sich um.
Einige Augenblicke meldete sich jedoch ihr Bewusstsein und ließ sie aufwachen. Sie blinzelte, und die unscharfen Umrisse ihres Zimmers wurden langsam klarer. Keira seufzte, setzte sich auf und schüttelte ihre blonden Locken. Sie streckte sich und gähnte, dann stand sie auf und stellte sich vor den Spiegel. Irgendwie sah sie hübsch aus, so verschlafen und verstrubbelten Haaren. Sie lächelte ihr Spiegelbild an. Dann wandte sie sich ab und ging zu der Truhe, in der ihre Klamotten untergebracht waren. Sie zog ein schlichtes, aber süßes blaues Kleid heraus, hängte ein Tuch vor das Fenster und zog sich um. Sie machte das Bett, faltete das Nachthemd und legte es unter die Decke. Dann ging sie ins Erdgeschoss ihres kleinen Häuschens und richtete sich ein einfaches Frühstück aus einem Apfel und einem Stück Brot mit Butter her und aß. Heute würde ein entspannter Tag werden, sie brauchte nicht viel zu arbeiten, da sie gestern so viel verkauft hatte.
Nach dem Frühstück ging Keira in den Garten und pflückte fröhlich die reifsten Äpfel, Erdbeeren, Tomaten, erntete einige Möhren und auch ein paar Orangen, die jetzt so weit waren. Hier wuchs fast alles gut.
Als zwei Körbe mit Früchten gefüllt waren, nahm Keira noch das verbleibende Kräuterbündel, hängte sich ihre Umhängetasche mit dem Geld und einem Messer um, damit sie am Stand kleine Probierhappen schneiden konnte, und machte sich auf den Weg zum Markt.
Heute kam sie dazu, alles richtig herzurichten. Doch als sie fertig war und strahlend in die Menge lächelte, um für potenzielle Kunden sympathisch auszusehen, sah sie, wie ein Mädchen über den Markt rannte. Beim zweiten Hinsehen erkannte sie, dass es Sianna war, das Menschenmädchen von gestern. Sie bemerkte ihr unkonventionelles Outfit und überlegte gerade, ob sie es schön fand, da stürzte Sianna schwer und blieb dann auf dem Boden sitzen.
Keira sah sich kurz um, dann ließ sie ihren Stand stehen und rannte zu ihr.
Sie kniete sich neben ihr auf den Boden und fragte bestürzt:"Was ist denn los? Ist dir was passiert?"

Sianna gähnte, drehte sich um und fiel prompt aus dem Bett. Sie begutachtete ihr schmerzendes Bein und zog sich langsam hoch. Als sie schließlich aufrecht im Zimmer stand, ging sie zu einer kleinen Holzkiste und öffnete sie. In der Kiste waren diverse Klamotten drin. Die Klamotten waren nicht dem allgemeinen Stil der Menschen in Gennéa angepasst, doch Sianna gefielen die Klamotten. Jedes einzelne Kleidungsstück war von ihr selbst hergestellt worden. Sie nahm ein Oberteil mit Löchern aus der Kiste, und noch eine enge Hose, die ihr bis zu ihren Fußknöcheln ging. Sie stülpte sich das Oberteil über und zog die Hose an. Das Oberteil war aus gelb-grünem Stoff und hatte Löcher. Doch das mit den Löchern war Absicht. Die Hose war eng und aus schwarzem Stoff. Dann schlüpfte Sianna noch fix in ein paar Schuhe, und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Als sie das kleine Haus verlassen hatte, bemerkte sie, dass sie zu früh dran war, und machte noch einen kleinen Umweg durch die Stadt. Sianna steuerte in Richtung Theater, und auf dem Weg dorthin rempelte sie gedankenverloren einen Passanten an.
"Oh Verzeihung, habe ich ihnen weh getan?", entschuldigte sie sich besorgt.
Der Passant meinte dass das nicht schlimm sei, und das alles in Ordnung sei. Sianna bemerkte das der junge Mann braune, kurze Haare hatte. Und dass er anscheinend auf dem Weg zum Marktplatz war, denn er trug eine Kiste voller Gurken. Sie machte sich keinen großen Kopf, und setzte ihren Weg zum Theater hin fort.

Nach einer Weile, als sie das Theater bereits besichtigt hatte, bemerkte sie dass ihr nur noch wenige Minuten blieben um rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen.
*Oh mist, das schaffe ich dich nie! Was mach ich denn jetzt?!*, dachte sie.
Ihr blieb nur noch eine Möglichkeit, und sie fing an wie von der Tarantel gestochen zu rennen. Sie rannte quer durch die Stadt, und ihr blieben nur noch ein paar Minuten. Als sie den Marktplatz erreicht hatte, waren es nur noch weniger als 60 Sekunden. Sianna machte einen großen Satz und sprang mit großen Schritten über den Marktplatz. Als sie kurz vor der Tür war, beschleunigte sie. Doch als sie gerade den nächsten großen Schritt machen wollte, stolperte sie, und fiel auf den Boden. Ein paar Sekunden lang regte sie sich nicht, doch dann stöhnte sie und drehte sich um. Sie setzte sich auf, und sah dass ihre Beinen bluteten. Anscheinend war sie so hart auf dem Boden aufgekommen, dass sie sich die Beine aufgerissen hatte. Auf der schwarzem Hose waren lauter kleine, fast nicht sichtbare, Blutflecken. Sie krempelte die Hose hoch, und sah dass an ihrem Schienbein ein langer Schnitt war. Sianna sah verwundert auf den Boden und bemerkte, dass auf dem Boden ein paar zerbrochene Glasflaschen waren. Aus der Wunde lief etwas bl*t hinaus, und sie wusste nicht mit was sie es verbinden sollte. Das einzige was sie tun konnte, war weiterhin auf dem Boden zu sitzen.

Bestürzt sah Keira, wie Sianna sich abwandte und ging. Das machte ihr ein schlechtes Gewissen, sie hatte nicht undankbar erscheinen wollen.
Sie würde sich bei Gelegenheit entschuldigen, jetzt wusste sie ja, dass sie bei einem Schneider arbeitete, und wie sie hieß. Aber jetzt musste sie sich erst um die Kundschaft kümmern und warten, bis ihr Arbeitstag vorüber war.
Sie verkaufte heute viele Früchte und musste den Leuten bald sagen, dass sie leider keine Äpfel mehr hatte, denn wie seltsam die Aktion von Sianna auch gewesen war, sie musste gewirkt haben. Eine kleine Traube von Leuten bildete sich um den Stand, und viele kauften heute auch aus Neugierde anderes Obst und Gemüse oder Kräuter ein. So einen guten Umsatz hatte Keira schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gemacht. Es würde vielleicht sogar genug Geld sein, dass sie sich ein oder zwei Tage freinehmen und in den Wald gehen könnte, um ihren Plan zu verwirklichen...
Keira war heute so beschäftigt, dass sie ganz überrascht war, als auf einmal der Abend dämmerte. Der Marktplatz leerte sich langsam, die Kaufleute trugen ihren Plunder zusammen und machten ihre Stände für die Nacht bereit.
Sie selbst klaubte die wenigen Früchte und Kräuterbündel, die noch übrig waren, zusammen, nahm ihre Körbe und machte sich auf den Weg nach hause.